Will B. Funny

Es war einer dieser Morgen an denen man sich fragte, warum zum Teufel es schon wieder hell wurde. Gleich nach dem Aufwachen auf der Couch in meinem Büro wurde mir klar, dass ich es erneut nicht nach Hause geschafft hatte. Mein Schädel dröhnte, ich hatte mir gestern eine halbe Flasche Scotch genehmigt. Sozusagen als Belohnung für meinen letzten erfolgreich abgeschlossenen Fall. Stöhnend stand ich auf und ging mir kaltes Wasser über das Gesicht spritzen. Im Spiegel sah mir ein stoppelbärtiger Mann in mittleren Jahren mit dunklen Ringen unter den Augen entgegen. Das Haar hing mir wirr ins Gesicht – ehrlich gesagt, hatte ich schon mal besser ausgesehen. Warum ich so gut bei den Frauen ankam, war mir ein Rätsel. Aber eigentlich war es mir auch egal, solange ich nur gelegentlich eine in die Kiste bekam. Ich befeuchtete mein Haar, kämmte es mir nach hinten, zwinkerte mir im Spiegel zu und ging zu meinem Schreibtisch. Ich drehte mir wieselflink eine Zigarette und als ich nach den Streichhölzern griff, läutete das Telefon. Ich hob ab.

„Will Funny Detektei. Will Funny am Apparat.“

„Mister Funny?“ Es war eine Frauenstimme. Rauchig, sexy. Sie sprach leise. Eine Stimme wie nach.. nun ja, nach einer halben Flasche Scotch und jeder Menge Zigaretten. Ich hörte mich vermutlich ähnlich an. Ich hatte sofort ein Bild von ihr vor meinem geistigen Auge. Dunkelhaarig, Mittdreißigerin, rote Lippen, braune Augen. Vermutlich trug sie einen Hut mit großer Krempe. Sie hatte Stil, das hörte ich sofort.

„Mister Funny? Hallo?“

Ich konzentrierte mich wieder auf sie.„Ja, am Apparat. Was kann ich für Sie tun?“

„Mein Name ist Susan Belfort. Ich hätte da einen Auftrag für Sie, wenn Sie Interesse haben.“

Belfort. Der Name kam mir bekannt vor. Ich schnappte mir die Zündhölzer, rauchte mir die Selbergedrehte an, inhalierte tief und blies blauen Rauch über den Schreibtisch.

„Natürlich, Miss Belfort. Wann können Sie vorbeikommen?“

„Ich hatte gehofft, Sie könnten mich aufsuchen.“

„Tut mir leid, aber ich mache keine Hausbesuche“, leierte ich meine Standardabsage herunter. Warum dachte eigentlich immer jeder, Detektive würden zu einem nach Hause kommen? Wozu hatte ich ein Büro, verdammt noch mal?

„Dann wäre es Ihnen in etwa einer Stunde recht?“

Ich nickte, obwohl sie die Geste logischerweise nicht sehen konnte.

„Natürlich Miss Belfort, in einer Stunde dann.“

„Mrs.“ sagte sie.

„Entschuldigen Sie. Mrs. Belfort. Dann also in einer Stunde.“ Ich legte auf.

Belfort. Der Name war mir, wie gesagt, nicht unbekannt. Während ich mich die Zähne putzte und mir ein frisches Hemd anzog ging ich einige Gesichter in meinem Kopf durch. Schließlich hatte ich es. Victor Belfort, Industrieller, äußerst wohlhabend, überaus einflussreich. Mir fiel ein, dass er vor einigen Jahren eine um 25 Jahre jüngere Frau geheiratet hatte. Vermutlich Susan Belfort. Ich war gespannt, worum es ging.

Nachdem ich mein Erscheinungsbild halbwegs in Ordnung und mich rasiert hatte, klopfte es an der Tür. Ich öffnete und da stand sie vor mir. Dunkelhaarig, Mitt-Dreißiger, rote Lippen, braune Augen und ein schwarzer Hut mit großer Krempe. Verdammt, was für ein Prachtweib! Mein Blick wanderte an ihr herab. Ihr Dekollete war schlicht und einfach atemberaubend.

„Darf ich eintreten?“, fragte sie schüchtern.

Ich trat zur Seite und machte eine einladende Geste „Natürlich, entschuldigen Sie.“

Sie sah sich kurz in meinem Büro um und nahm schließlich auf dem Sessel vor meinem Schreibtisch Platz. Nachdem auch ich mich in meinem Leder-Ohrensessel fallen ließ, legte sie los.

„Mister Funny, ich wende mich an Sie, weil ich gehört habe, dass Sie einer der Besten in ihrem Fach sind.“

Ich fühlte mich geschmeichelt. Na ja, es war schon nicht ganz unwahr. In den letzten fünf Jahren hatte ich so ziemlich alle meine Fälle geknackt. Woran es lag wusste ich nicht, aber irgendwie hatte ich immer den richtigen Riecher. Manche Sachen hinterfragt man eben nicht, genauso wenig wie die Sache mit den Frauen, die ich kurioserweise immer noch anzuziehen schien.

„Danke, Mrs. Belfort. Was kann ich für Sie tun?“

„Kennen Sie meinen Mann, Victor Belfort?“

„Ja, der Name sagt mir etwas.“

„Gut. Dann wissen Sie, dass er sehr einflussreich und wohlhabend ist.“

Ich nickte.

„Mein Mann hatte ein Verhältnis.“

Ich schaute sie ungläubig an. Wie, um alles in der Welt, konnte jemand so bescheuert sein und diese Frau betrügen? Ich lehnte mich langsam zurück und warf wieder einen Blick in ihr Dekollete. Sie hatte kleine Sommersprossen darauf. Ich fragte mich, wie ihre Haut schmecken würde.

„Haben Sie verstanden?“ fragte sie.

Ich sah schnell auf „Ja, natürlich. Ihr Mann hat ein Verhältnis. Entschuldigen Sie, ich dachte mir nur gerade, warum jemand eine so hübsche Frau wie Sie betrügen sollte.“

Ich hatte ihr sichtlich geschmeichelt, ihre Wangen färbten sich rötlich und sie senkte auf eine entzückende Art den Blick.

„Mister Funny, warum mein Mann mich betrogen hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Tatsache ist, dass er es getan hat.“

Ich beugte mich wieder nach vorn. „Okay, Sie wollen vermutlich, dass ich herausfinde, wer die Frau ist, richtig?“

Sie schüttelte langsam den Kopf „Nein. Ich weiß, wer es war. Helga, unsere deutsche Haushälterin.“

Ich sah sie verblüfft an „Aber wenn Sie wissen, wer es war, wozu brauchen Sie mich dann?“

„Helga ist vor vier Tagen verschwunden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie umgebracht wurde. Sehen Sie, mein Mann hat herausgefunden, dass ich über die beiden Bescheid wusste. Am nächsten Tag ist Helga verschwunden. In ihrem Zimmer habe ich diesen Brief gefunden.“ Sie holte einen zusammengefalteten Brief aus ihrer Handtasche und reichte ihn mir über den Schreibtisch. Ihre Brüste schienen aus ihrem Gefängnis ausbrechen zu wollen, als sie sich vorbeugte. Ich schnappte mir den Brief und las ihn durch.

Sehr geehrte Mrs. Belfort,

ich musste leider schnell verreisen. Krankheitsfall in meiner Familie. Ich werde nicht wiederkommen. Sie waren immer sehr nett zu mir, dafür recht herzlichen Dank. Bitte machen Sie um mein Verschwinden keinen Wirbel, mir geht es gut.

Herzlichst, Helga

Ich las den Brief ein zweites Mal durch und legte ihn dann vor mir auf den Tisch. Ich überlegte kurz. Mrs. Belfort musterte mich inzwischen, ohne etwas zu sagen.

„Aufgrund dieses Briefes schließen Sie, dass ihr Mann sie umgebracht hat?“ fragte ich schließlich. „Warum sollte er das tun? Er hatte ein Verhältnis mit ihr, da wird er sie doch wohl nicht einfach so mir nichts dir nichts kaltstellen.“

„Die Sache ist leider ein wenig komplizierter. Offensichtlich hatte mein Mann Befürchtungen, dass ich damit an Öffentlichkeit gehen würde. Er hat sehr viel zu verlieren, wie Sie sich wahrscheinlich denken können. Also hat er sie kurzerhand verschwinden lassen.“

„Mrs. Belfort“ begann ich bewusst langsam „was genau wollen Sie eigentlich, dass ich herausfinde? Sie sagen, dass Ihr Mann Sie betrogen hat. Die Frau, mit der er dies tat, ist verschwunden. Somit stellt sie eigentlich kein Problem mehr für Sie dar. Eigentlich sollten Sie froh sein.“

Sie senkte erneut den Blick. „Mister Funny. Ich bin mir sicher, dass andere im ersten Moment so denken würden. Aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass meinetwegen jemandem Schaden zugefügt wurde. Sei es auch nicht zu meinem Nachteil. Ich möchte, dass Sie herausfinden, was mit Helga geschehen ist und ob sie noch lebt. Ich will nur sichergehen. “

„Denken Sie, dass Ihr Mann etwas damit zu tun hat?“

Sie warf mir einen seltsamen Blick zu. „Sie denken doch nicht wirklich, dass sich Victor mit so etwas die Hände schmutzig machen würde, oder? Nein, wenn es so war, dann hat er jemanden damit beauftragt, dessen bin ich mir sicher.“

Ich atmete tief durch und überlegte erneut. Okay, da war diese tolle Frau, deren Mann offensichtlich nichts in der Birne hatte. Wer so eine Frau hatte und sie dann auch noch betrog, musste komplett verrückt sein. Eine Haushälterin war verschwunden, ob es sich um Mord handelte oder nicht, ließ ich mal dahingestellt. Auf jeden Fall keine große Sache. Ich beschloss, der Sache nachzugehen.

„Okay“ sagte ich schließlich „ich werde der Sache nachgehen.“

Sie atmete erleichert auf. „Ich danke Ihnen. Was ihr Honorar betrifft, werde ich Ihnen das Doppelte zahlen, wenn Sie die Angelegenheit aufklären, mir liegt wirklich sehr viel daran.“

Ich warf ihr den lässigsten Blick zu, zu dem ich imstande war und drehte mir nebenbei einhändig eine neue Zigarette, um ein wenig anzugeben. „Keine Sorge, Mrs. Belfort. Wenn etwas an Ihrer Geschichte dran ist, werde ich es herausfinden.“

Mein Blick wanderte wieder über ihren Körper. Ich fragte mich, ob sie ihren BH absichtlich kleiner gekauft hatte. Ihre Brüste konnten es da drinnen auf keinen Fall bequem haben, so wie sie nach oben quollen. Ich dachte kurz daran, ihr die Kleider vom Körper zu reißen und an ihren Brustwarzen zu knabbern. Verdammt! Man konnte die Dinger sogar durch ihr Kleid hindurch erkennen!

„Es wäre vielleicht eine gute Idee folgende Männer zu überprüfen. Sie erledigen… schwierige Aufträge für ihn. Sie haben Victor noch nie getroffen, da er sich niemals persönlich mit derartigen Leuten treffen würde. Was sie zu tun haben, erfahren sie per Telefon. Ich würde jedem von diesen Galgenvögeln einen Mord zutrauen.“ Sie holte einen weiteren Zettel aus ihrer Handtasche und reichte ihn mir.

„Lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas herausgefunden haben.“ Sie stand auf, ich erhob mich ebenfalls. „Ich bin tagsüber alleine zu Hause. Sie können mich unter dieser Nummer erreichen.“ Abermals griff sie in ihre kleine Handtasche, zog eine kleine, weiße Visitenkarte daraus hervor und reichte sie mir. Als ich sie ihr aus der Hand nahm, berührte ich sie mit dem Zeigefinger. Mir schien, als würde ein Funken überspringen. Sie sah mich noch einmal kurz an, ehe sie sich umdrehte und Richtung Tür ging.

„Auf Wiedersehen Mister Funny.“

„Nennen Sie mich Will!“ sagte ich lahm. Sie drehte sich bei der Tür angelangt um, ein bezauberndes Lächeln auf den Lippen.

„Gut. Will. Wofür steht eigentlich das B. in Ihrem Namen?“ Sie deutete kurz mit ihrer Hand auf den Namen, der an der Glasscheibe der Bürotür angebracht war.

„Bartholomew. Mein zweiter Vorname.“ gestand ich errötend.

Sie bedachte mich erneut mit einem Lächeln.

„Auf Wiedersehen, Will B. Funny.“

Als sie weg war, setzte ich mich wieder auf meinen Sessel und ließ ihre Visitenkarte durch die Finger gleiten. Es hatte gefunkt, soviel war sicher. Mann, was für ein Prachtweib! Ich beschloss, mir eine zeitlang auszumalen, wie ich jeden Zentimeter ihres Körpers abschnüffelte, ehe ich mich schließlich schwer erregt dran machte, den Fall zu knacken.

Auf dem Zettel, den sie mir gegeben hatte, standen fünf Namen. Einer nichtssagender als der andere. Ich beschloss, mir einfach den Ersten vorzuknöpfen und auszupressen. Guy Whistler. Was für ein bescheuerter Name, also wirklich! Unter die Namen hatte Susan die Adressen der Galgenvögel gekritzelt. Es war also ein leichtes die Typen ausfindig zu machen. Ich schnappte mir meine Jacke und meinen Hut und verließ das Büro.

Auf dem Weg zu Mister Whistler kam ich an Mikie, dem Zeitungsjungen vorbei. Ich mochte den Kleinen irgendwie. Ich ging zu ihm hin und kaufte ihm eine Zeitung ab.

„Danke Mister Funny!“, sagte Mikie.

„Kein Problem, Kleiner.“ Sagte ich und drückte ihm ganz leicht die Faust ans Kinn.

„Diese Lady“ sagte er plötzlich, als ich weitergehen wollte. Ich blieb stehen und drehte mich um.

„Welche Lady?“, fragte ich.

„Die gerade bei Ihnen war. Mrs. Belfort.“ Ich stutzte.

„Was ist mit der? Woher weißt du überhaupt, dass sie bei mir war?“

„Sie hat mich gefragt, ob ich weiß, wo Mister Funny’s Büro ist und ich hab’ es ihr gesagt.“

„Okay, was ist mit ihr?“, wollte ich schließlich wissen.

„Die kenn’ ich. Die wohnt doch in dem Reichenviertel, nicht? In dem großen grünen Haus.“

„Ich weiß nicht, welche Farbe das Haus hat, in dem sie wohnt. Wieso, was ist mit ihr?“

„Naja“ begann Mikie leise, „Mein Dad hat bei den Belforts den Garten umgegraben, da habe ich ihm geholfen. Wir waren ganze drei Tage dort.“

„Okay und weiter?“

Er sah sich vorsichtig um und deutete mir, ich solle mich zu ihm herunter beugen. Ich hielt mein Ohr an seinen Mund.

„Das ist ’ne Lesbe.“ sagte Mikie leise.

Ich richtete mich schnell wieder auf und warf ihm einen strengen Blick zu. „Du solltest diese kleinen Schundromane nicht lesen, Mikie. Wie zum Geier kommst du überhaupt an diesen Schweinkram?“, fragte ich verärgert. Susan Belfort eine Lesbe? Was für ein Schwachsinn!

„Ich schwör’s Ihnen, Mister Funny!“ versicherte mir Mikie „Ich hab sie dabei beobachtet, wie sie im Gartenhäuschen hinten mit der Haushälterin rumgemacht hat. Ehrlich!“

Ich hielt inne. Mit der Haushälterin?

„Woher willst du wissen, dass es die Haushälterin war? Und woher willst du wissen, dass es Mrs. Belfort war? Hast du sie genau gesehen?“

Mikie sah mich an, als hätte ich von nichts eine Ahnung.

„Natürlich war es die Haushälterin. Hilde oder Helga oder so, aus Deutschland. Sie hat mir immer frische Limonade in den Garten gebracht. Übrigens auch eine verdammt nette Biene.“ Er grinste verschmitzt.

„Und du hast gesehen, wie sie was gemacht haben?“ Ich zog ihn am Jackenärmel zur Hausmauer, wo wir uns ungestört unterhalten konnten.

„Na ja, ich mache also eine kurze Pause. Mein Dad ist frische Erde holen gefahren. Ich trinke meine Limo und da sehe ich, wie Mrs. Belfort und Helga in dem kleinen Gartenhäuschen verschwinden und durch das Fenster konnte ich sehen, wie sich sich geküsst haben. Lange. Ich meine, die sind echt richtig zur Sache gekommen, ich wusste gar nicht, dass man eine Zunge so weit rausstrecken kann! Ich hab’ da die ganze Zeit über gestanden und ihnen dabei zugesehen.“

Das war, mit Verlaub, der größte Haufen Scheißdreck, den ich jemals gehört hatte. Aber ich mochte Mikie, also ließ ich es gut sein. Ich tätschelte Mikie’s Wange, grunzte ihm ein „Alles klar, Kleiner“ zu und machte, dass ich weiterkam.

Auf dem Weg zu Guy Whistler ging ich einige Punkte durch. Okay, was wenn Susan Belfort tatsächlich eine Lesbe war? Was, wenn sie tatsächlich eine Affäre mit der Haushälterin gehabt hatte? Dann hatte sie ebenfalls ein Motiv Helga zu töten, schließlich hatte sie sie ja mit ihrem eigenen Mann betrogen. Was für ein durchtriebenes, verdorbenes Früchtchen war diese Helga eigentlich? Zuerst machte sie mit Susan rum und dann mit ihrem Mann? Natürlich nur, falls an der Sache etwas dran war. Aber das konnte ich mir nicht vorstellen. Schließlich war sie eine Frau mit allem drum und dran, durch und durch, ganz und gar. Sie konnte niemals eine Lesbe sein! Lesben waren hässlich, dick, hatten fettes Haar und einen Schnurrbart. Susan war der personifizierte feuchte Traum eines Mannes. Ich beschloss dennoch, den Gedanken nicht vollends zu verwerfen. Wer konnte schon mit Sicherheit sagen, wer welche sexuellen Neigungen hatte? Dass sie Victor Belfort nur seines Geldes wegen geheiratet hatte, war nicht so unwahrscheinlich, wenn man den Altersunterschied berücksichtigte. Trotz allem blieb ich dabei, zuerst Guy Whistler aufzusuchen. Ich zog mir den Hut in die Stirn und beschleunigte meine Schritte.

„Guy is’ nich’ da.“ Die Schnepfe knallte mir die Tür vor der Nase zu und verzog sich schlurfenden Schrittes ins Innere ihrer Wohnung. Ich stand vor dem Appartement, das ich aufgrund der Adresse unter Whistlers Namen auf dem Zettel gefunden hatte. Ich wartete einige Sekunden, ehe ich erneut anklopfte. Ich hörte erneut schlurfende Schritte, ehe die Tür aufflog.

„Verdammt noch mal, er is’ nich’ da hab’ ich gesagt!“. Sie stemmte die Arme in die Hüften und sah mich böse an.

„Hören Sie, Ma’am“ begann ich erneut.

„Ma’am, meinen Arsch!“ keifte sie „Der Mistkerl hat sich seit vier Tagen nicht blicken lassen! Is’ sicher mit dieser elenden Schlampe abgehauen!“ Sie spuckte mir verächtlich vor die Füße.

„Ich verstehe Sie, Ma’am“, begann ich in meiner besten Frauenversteher Stimme, „aber ich muss unbedingt mit Mister Whistler sprechen. Haben Sie eine Ahnung, wo ich ihn finden könnte?“

Sie schüttelte genervt den Kopf. „Sagen Sie, hör’n Sie mir überhaupt zu? Er is’ vor vier Tagen verschwunden und hat seinen jämmerlichen Arsch seitdem nich’ hier blicken lassen! Was sind Sie überhaupt für einer? Sind Sie von der Polizei? Hat er irgendetwas ausgefressen? Wenn ja, dann suchen Sie ihn und sperren Sie ihn ein. Verdammter Mistkerl!“. Sie schien wirklich sehr aufgebracht. Ich versuchte es ein letztes Mal.

„Wen meinten Sie, als Sie sagten, dass er mit ihr abgehauen ist?“

Sie hatte begonnen leise vor sich hin zu schimpfen. „Hä?“

„Ich sagte, wen meinten Sie, als Sie sagten, dass er mit ihr abgehauen ist?“

Ihre Augenbrauen zogen sich bedrohlich zusammen. „Na diese deutsche Schlampe! Dieses elende Flittchen, das für jeden die Beine breit macht! Diese Hure, die ihn bezirzt, seitdem sie ihn das erste Mal gesehen hat! Nachdem ich ihm sieben Kinder geboren habe, war ich ihm wohl nicht mehr gut genug. Elender Mistkerl!“

„Haben Sie zufällig eine Ahnung, wie die deutsche Dame heißt?“ fragte ich zaghaft.

„Wie sie heißt? Ob ich weiß, wie diese Schlampe heißt? Helga heißt die Hure! Helga Konrad! Gott möge ihr mit einem gezackten Blitz in den Arsch fahren und sie zum Teufel jagen!“

Ich bedankte mich schnell bei Mrs. Whistler und verzog mich rasch aus dem Gebäude. In Gedanken schlenderte ich die Straße entlang und versuchte mir alles zusammen zu reimen. Susan Belfort kommt zu mir und behauptet, ihr Mann hätte ihre Haushälterin Helga, mit der er ein Verhältnis hatte, beseitigen lassen und dass sie diesen Gedanken nicht ertragen könne. Mikie erzählt mir daraufhin, dass er gesehen hat, wie sich Susan und Helga im Gartenhäuschen an die Wäsche gingen. Nun erzählt mir Guy Whistler’s Frau, dass Guy, der auf der Liste steht, die mir Susan gegeben hat, möglicherweise auch etwas mit Helga der Haushälterin der Belfort’s hat.

Was auch immer hinter dieser Sache steckte, ich musste herausfinden, ob Helga Konrad noch am Leben war. Schon alleine deshalb, um mir dieses Weibsstück anzusehen. Offenbar war alles und jeder hinter ihrem Rock her. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie noch besser aussah als Susan Belfort. Aber wenn doch… In kranken Fantasien schwelgend und halb-erigiert spazierte ich leise pfeifend den Gehsteig entlang.

Der zweite Name auf der Liste lautete Thomas Harding. Ich musste ein paar Minuten nachdenken, ehe mir einfiel, warum mir der Name bekannt vorkam. Ich hatte in der Schule einen Jungen mit dem gleichen Namen gekannt. Ich kann nicht behaupten, dass wir Freunde gewesen waren, aber er war damals jedem ein Begriff. Ich erinnerte mich, wie er einmal im Schulhof aufgrund einer Wette versucht hatte, sich einen lebendigen Frosch in den Hintern zu stecken. Dieser verrückte Mistkerl hatte die Wette glatt gewonnen, mir fiel ein, dass danach die Phrase „Ich mach dir den Harding!“ einige Zeit lang als Droh Meldung in aller Munde war. Ich hielt es jedoch für unwahrscheinlich, dass es sich um die gleiche Person handelte.

Ich stand vor einem roten Backsteingebäude und sah noch mal auf den Zettel. Das war die richtige Adresse. Den Postkästen im Flur zufolge wohnte Tom Harding im fünften Stock. Verdammt, warum konnten diese Galgenvögel nie im Parterre wohnen? Mühsam erklomm ich die fünf Stockwerke und erreichte etwas außer Atem die Wohnungstür. Von drinnen ertönten Musik und Gelächter. Ich lauschte eine Weile, schließlich klopfte ich an. Nach ein paar Sekunden hörte ich Schritte, die vor der Tür hielten.

„Wer ist da?“, fragte eine männliche Stimme.

„Will Funny. Ich möchte zu Thomas Harding.“

Ich vernahm das Geräusch einer Kette, ehe die Tür einen Spalt aufging. Ein Auge und ein halber Haarschopf erschienen im Türspalt.

„Was wollen Sie?“, fragte mich das halbe Gesicht.

„Sind Sie Tom Harding?“ fragte ich.

„Nein, ich bin der verkackte Osterhase!“, sagte das halbe Gesicht schlecht gelaunt, „was zum Teufel wollen Sie?“

„Hören Sie“, begann ich und machte einen Schritt rückwärts „kann ich bitte einen Sprung reinkommen, ich habe nur ein paar Fragen, dann bin ich schon wieder weg.“

Er musterte mich kurz.

„Nee. Entweder Sie sagen mir, was Sie wollen, oder Sie hauen ab!“

Ich beschloss, einfach mein Glück zu versuchen.

„Spielst du immer noch gerne mit Fröschen rum, Tommyboy?“

Das eine Auge sah mich an, als hätte ich komplett den Verstand verloren.

„Was für Scheißfrösche? Wovon zur Hölle reden Sie da überhaupt?“

Okay, ein Schuss in den Ofen. Passierte manchmal auch mir, man konnte nicht immer Glück haben.

„Okay, ich komme im Auftrag von Mister Belfort“, versuchte ich es auf eine andere Tour.

Das Auge sah mich misstrauisch an. „Hab’ Sie noch nie gesehen. Und einen Belfort kenne ich auch nicht. Hauen Sie ab, sonst komm’ ich raus und mache Ihnen Beine!“ Mit diesen Worten knallte er die Tür zu. Ich hörte aber keine Schritte, die sich von der Tür entfernten. Offensichtlich stand er noch da und lauschte.

Mir wurde die Sache langsam zu blöd. Seufzend beugte ich mich vor, klopfte erneut an die Tür und trat noch weiter zurück. Sofort stand sie wieder offen. Ehe er auch nur ein Wort sagen konnte, hob ich mein Bein und donnerte meinen Schuh gegen die Tür. Die Kette riss und knallte sie ihm ins Gesicht. Ich vernahm ein knirschendes Geräusch, er fiel rückwärts zu Boden und hielt sich jammernd die zertrümmerte Nase. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Im Wohnzimmer erschien das Gesicht einer Frau, die mit einem Bettlaken bekleidet war und es schützend gegen ihre Brüste hielt. Sie begann zu kreischen und lief in ein anderes Zimmer. Ich ignorierte sie, kniete mich neben Harding nieder und packte ihn an den Haaren. Er jammerte immer noch laut, Blut sickerte aus seiner gebrochenen Nase.

„Können wir jetzt reden?“, fragte ich genervt.

„Aah.. was zum… AAARGH! DU SCHWEIN HAST MIR DIE NASE GEBROCHEN!“

Ich riss ihn an seinen Haaren und er schrie auf.

„Okay, ich wiederhole: Können wir uns jetzt unterhalten?“

„JA! JA!“, kreischte er „GOTTVERDAMMT NOCHMAL, JA!“

„Victor Belfort. Kennen Sie den Namen?“

„Ja, kenne ich. Verdammte Scheiße, ja!“

„Sagt Ihnen der Name Helga Konrad etwas?“

„N..Nein!“

Er log. Ich konnte es förmlich riechen. Ich schnappte mir mit der anderen Hand seine Nase und klemmte sie zwischen Zeige- und Ringfinger ein. Er fing an, wie am Spieß zu kreischen.

„Helga Konrad.“, wiederholte ich.

„JAAARGH!“ kreischte Harding „HEILIGER JESUS! JAA! KENNE ICH, KENN ICH! AARGH!“

„Okay. Was wissen Sie über sie?“

Vor Schmerz liefen ihm bereits Tränen aus den Augen. Ich wusste, wie weh eine gebrochene Nase tat. Diese Tortur hatte ich bereits selber einige Male mitgemacht.

„Ich weiß nichts über sie!“, begann er keuchend und stöhnend.

„Falsche Antwort“ sagte ich und kniff die Finger ein wenig zusammen. Er quietschte wie ein abgestochenes Schwein.

„OKAYOKAYOKAY!! AARGH! HÖREN SIE AUF DAMIT! BELFORT HAT MICH DAMIT BEAUFTRAGT SIE LOSZUWERDEN! SCHEISSE!“

Ich ließ seinen Haarschopf und seine Nase los. „Wie loswerden?“

Er richtete sich keuchend und spuckend auf und lehnte sich an ein Tischbein. „Mister Belfort hatte den Verdacht, dass sie etwas mit seiner Frau haben könnte. Angeblich hat er die beiden nackt in der Badewanne erwischt, als sie sich gegenseitig irgendwelche Gegenstände in ihre Körperöffnungen gesteckt haben. Es gab angeblich einen Heidenkrach. Und dann hat er Helga gefeuert. Er wollte auf jeden Fall sichergehen, dass sie die Stadt verlässt. Darum sollten wir uns kümmern.“

„Wir?“ fragte ich „wer noch, außer Ihnen?“

Harding sah mich missmutig an. Ich formte eine Schere mit Zeige- und Mittelfinger und hob langsam die Hand.

„Okay, okay.“ sagte er und hob beschwichtigend die Arme. „Guy Whistler und ich sollten uns darum kümmern.“

„Habt ihr zwei Affen sie umgebracht?“, fragte ich frei heraus. Manchmal war die direkte Methode die Beste.

Er sah mich erschrocken an. „Umgebracht? Sind Sie verrückt? Ich erledige zwar so manche Drecksarbeiten für Mister Belfort, aber ich bin kein Mörder!“

Er schien die Wahrheit zu sagen. Genauso wie ich vorhin gemerkt hatte, dass er log, spürte ich jetzt, dass er die Wahrheit sagte. Ein weiterer meiner unverzichtbaren Kenntnisse als Detektiv.

„Wo habt ihr sie hingebracht?“

Harding fuhr sich vorsichtig mit dem Handrücken über die Nase und schniefte. Sie hatte aufgehört zu bluten. „Wir sind mit ihr zum Stadtrand gefahren und Guy hat sich mit ihr in einen Bus gesetzt. Mister Belfort wollte ganz sichergehen, dass sie nicht einfach aus dem Bus aussteigt und wieder zurück in die Stadt fährt.“

„Wo ist er mit ihr hingefahren?“, wollte ich wissen.

„Hören Sie, wir haben Sie einfach in den erstbesten Bus gesetzt. Guy hat die Karten gekauft, ich habe keine Ahnung, wohin der Bus fuhr. Ich habe noch gewartet, bis er abgefahren ist und bin dann wieder zurück.“

„Hat Guy Whistler was mit Helga Konrad?“

Harding schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Helga hätte sich nie mit Guy abgegeben. Sie spielt in einer anderen Liga. Ich weiß aber, dass er auf sie steht. Möglicherweise wollte er sie deswegen im Bus begleiten. Hat wohl seine Chance gewittert oder so.“

Ich holte die Liste aus meiner Tasche und las ihm die anderen drei Namen vor. Er kannte sie alle, schwor aber hoch und heilig, dass sie nichts mit der Sache zu tun hatten. Ich erhob mich, zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und ließ es neben Harding auf den Boden fallen. Ich dankte ihm für die Informationen, entschuldigte mich nicht allzu aufdringlich für den gewaltsamen Zutritt und verließ die Wohnung.

Unten auf der Straße blieb ich kurz stehen und überlegte. Irgendeiner der Belforts log. Entweder Susan, die mir weismachen wollte, dass Victor seine Haushälterin bumste oder Victor, der seine Handlanger unter einem Vorwand dazu brachte, seine Haushälterin loszuwerden. Harding hatte Helga Konrad sicher nicht umgebracht. Ich erkannte einen Killer, wenn ich einen sah. Er hatte nach dem Schlag auf die Nase gleich zu flennen begonnen wie ein kleines Mädchen. Bei Whistler war ich mir nicht sicher, da ich ihn nicht kannte. Ich würde ein Gespräch mit Susan Belfort führen müssen. Sie hatte Recht gehabt, dieser Fall entpuppte sich als etwas komplizierter, als ich angenommen hatte. Ich kaufte mir auf dem Weg ins Büro eine kleine Flasche Scotch. So wie es aussah, würde ich heute Abend wieder nicht in meinem Bett schlafen.

Im Büro angekommen genehmigte ich mir zuerst einmal einen ordentlichen Drink und ging die Fakten noch einmal durch. Ich konnte nicht umhin, mehrmals an Susan Belfort zu denken. Sie war mit Abstand die schönste Frau, die mir in den letzten Jahren untergekommen war. Ich setzte mich in meinen Ohrensessel und hievte die Füße auf den Schreibtisch. Rauchend und trinkend malte ich mir aus wie es wäre mit einer Frau wie ihr Kinder zu haben. Ehrlich gesagt dachte ich dabei eher an den Akt des Kindermachens, als an die Frucht meiner Lenden. Frauen dieses Kalibers würden mir ewig ein Rätsel bleiben. Woher kamen sie? Und warum? Wieso waren sie, falls man einer begegnete immer verheiratet, noch dazu meistens mit irgendwelchen fetten, alten Mackern? Ganz einfach, des Geldes wegen. So einfach war das. Mit so einer Frau an meiner Seite würde ich vermutlich zu allem fähig sein. Ich dachte an ihr hübsches Gesicht, an ihre Brüste und daran, wie sie mich angelächelt hatte. Verdammt, ich würde es niemandem krumm nehmen, wenn er für diese Frau töten würde. Nach einer Weile stand ich auf und betrachtete den Sessel vor meinem Schreibtisch. Sie hatte ihren bezaubernden Hintern darauf gesetzt. Gerade als ich mich vorbeugte um die Sitzfläche abzuschnuppern, läutete das Telefon. Ich setzte mich auf den Tisch und hob ab.

„Will Funny Detektei. Will Funny am Apparat.“

„Mister Funny?“ Eine Frauenstimme.

„Genau der. Wer ist da?“

„Hier ist Helga Konrad.“

Mein Herz machte einen Sprung. „Miss Konrad?“

„Ja. Hören Sie, ich würde Sie gerne sprechen!“

Ich hatte keine Ahnung, woher sie wusste, dass ich an diesem Fall arbeitete und woher sie meine Nummer hatte, schließlich sollte sie sich ja irgendwo außerhalb der Stadt befinden.

„Was ist los?“, fragte ich schließlich. Ihre Stimme war der schiere Wahnsinn! Um noch ein paar Nuancen tiefer und rauchiger als Susan Belfort’s Stimme mit einem ganz leichten deutschen Akzent.

„Ich möchte nicht am Telefon darüber reden. Können Sie sich mit mir treffen?“

„Tut mir leid, aber ich mache keine…“, begann ich automatisch, ehe mir bewusst wurde, was ich sagte.

„Wie meinen Sie?“, fragte Helga.

„Ehm..ja, treffen geht in Ordnung“ sagte ich lahm „Wo?“

„Kennen Sie Dino’s Cocktailbar?“

Ob ich Dino’s Cocktailbar kannte? Zwei Drittel meiner weiblichen Eroberungen hatte ich den Drinks dieser Bar zu verdanken!

„Ja, kenne ich.“

„Ich werde um 9 Uhr abends dort sein. Bitte kommen Sie, wir müssen etwas besprechen!“

„Ich werde kommen, Helga“, sagte ich verwegen. „Wo sind Sie im Moment?“

„Nicht am Telefon. Kommen Sie zu Dino’s.“ Sie legte auf.

Ich legte den Hörer auf das Telefon. Verdammt, ich kann einfach nichts dafür, ich hatte nach diesem Telefonat, so kurz es auch gedauert hatte, einen Mordsständer! Ich sah auf die Uhr an der Wand, es war kurz vor fünf. Genug Zeit um mich in Schale zu werfen. Diese Frau musste der absolute Knüller sein! Wenn es für mich nur den Hauch einer Chance gab, sie in die Kiste zu kriegen, würde ich sie nutzen. Ich goss mir noch einen Drink ein und rauchte ein paar Zigaretten.

Irgendwie war ich eingeschlafen. Sich sexuelle Fantasien auszumalen war einfach ein sehr anstrengender Prozess. Als ich in meinem Ledersessel hochschreckte, war es bereits Viertel vor neun. Ich sprang auf, wusch mir schnell das Gesicht, schnappte meine Jacke und meinen Hut und polterte durch das Stiegenhaus nach unten. Ich fluchte, weil ich nun keine Gelegenheit mehr hatte, mich in Schale zu werfen.

Dino’s Bar lag 20 Häuserblocks weiter. Zu Fuß würde ich es nicht mehr schaffen. Ich stellte mich an den Straßenrand und hielt nach einem Taxi Ausschau, als sich plötzlich quietschend ein Wagen vor mir hielt und zwei Gestalten heraus sprangen. Tom Harding erkannte ich sofort wegen der geschwollenen Nase und dem blauen Auge. Ehe ich kehrtmachen konnte, bugsierten sie mich ins Innere des Wagens und stiegen anschließend auf beiden Seiten ein, mich in ihrer Mitte. Ein dritter trat auf’s Gas und wir fuhren los.

Ich spürte, wie mir Harding den Lauf einer Kanone in die Seite drückte. Das Ganze sah irgendwie nicht gut für mich aus. Diese Typen hatten offensichtlich vor, mich zu erledigen. Ich beschloss den Eingeschüchterten zu spielen, bis wir an unserem Ziel angekommen waren. Dann würde ich in einem günstigen Moment zur Seite springen und während des Falls meine Knarre ziehen. Ich war sicher, dass ich zwei von ihnen noch während ich mich in der Luft befand ausschalten konnte. Den letzten würde ich mir dann vom Boden aus vornehmen. Einen ähnlichen Stunt hatte ich schon einmal bei meinem Fall mit der einbeinigen Nutte letztes Jahr durchgeführt. Bam! Zuhälter weg! Bam! Freund des Zuhälters weg! Bam! Zufällig vorbeigehender Passant weg! Glücklicherweise hatte er überlebt, ich hatte ihm nur eine Kugel in die Schulter verpasst. Es hatte mich einige Mühe gekostet die Bullen davon zu überzeugen, dass sich der Schuss während eines Gerangels mit einem der schrägen Vögel von selbst gelöst hatte. Ich hatte es kaum glauben können, dass sie mir den Schwachsinn abgekauft hatten.

Während mich Harding zusammengepressten Lippen anstarrte, fingerte der Typ auf der anderen Seite an mir herum. Ich erstarrte. Meine Knarre lag auf meinem Schreibtisch neben meinem Tabakbeutel, den ich ebenfalls nicht eingesteckt hatte! Ich war so unbewaffnet wie ein Kind auf dem Weg zu seiner Erstkommunion! Ich fluchte innerlich und beschloss einfach zu improvisieren, sobald wir angekommen waren. Der Typ schüttelte den Kopf. „Er hat keine Knarre dabei.“

„Na? Gänzlich unbewaffnet?“, fragte Harding sichtlich amüsiert.

„Wie geht’s der Nase?“, fragte ich.

„Halten Sie ihr dummes Maul, Sie Arschloch!“, knurrte er und presste den Lauf fester in meine Rippen.

„Wo soll’s denn hingehen?“, fragte ich nach einer Weile. So wie es aussah, verließen wir die Stadt.

„Das werden Sie schon noch erfahren, keine Angst!“, sagte der Typ auf meiner anderen Seite. Ich drehte den Kopf und sah ihn an.

„Wer ist der Kerl?“, fragte ich Harding schließlich.

„Niemand, den Sie kennen. Aber Sie werden ihn schon noch kennenlernen, keine Bange!“

Alle drei begannen schauderhaft zu lachen.

„Hört mal, Jungs. Können wir nicht einfach über alles reden?“, versuchte ich es kleinlaut.

Harding bohrte mir den Lauf seiner Knarre in die Seite und zischte „Hault’s Maul!“.

Ich hielt das Maul. Nach einer Weile bremste der Wagen und wir hielten bei einem großen Maisfeld außerhalb der Stadt.

„Aussteigen!“, grunzte Harding und mir seine Knarre vors Gesicht. Ich hatte sie vorher nur gespürt, aber als ich sie sah, wurde mir ein wenig mulmig zumute. Langsam stieg ich aus dem Wagen und überlegte, wie ich vorgehen würde. Ich durfte mir auf keinen Fall Zeit lassen, so wie es aussah, würden sie mich tatsächlich kalt stellen. Der Fahrer und der andere Typ standen mit gezogenen Waffen und ausdruckslosen Gesichtern vor dem Wagen und grinsten hämisch. Ich richtete mich auf und sah ihnen gekünstelt wagemutig ins Gesicht.

Gerade als ich sie fragen wollte, wer von den beiden eigentlich oben liegt und wer unten, knallte etwas hinter mir. Ich sackte ein, ich hatte das Gefühl, als hätte mir jemand die Beine weggefegt. Ich fragte mich, was zum Teufel passiert war, als ich den Schmerz spürte. Ein Dröhnen durchzog meinen Oberschenkel und ich spürte, wie mein Hosenbein warm wurde. Harding hatte mir tatsächlich von hinten in den Oberschenkel geschossen! Wimmernd hielt ich mein Bein. Die zwei anderen Affen lachten lauthals, steckten ihre Knarren weg, packten mich unter den Armen und schleiften mich ins Maisfeld. Nach zirka 20 Meter ließen sie mich einfach auf das Gesicht fallen.

Das sah übel aus! Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen um hier noch lebend raus zu kommen, diese Typen schienen keine halben Sachen zu machen. Harding kam mit einem fiesen Gesichtsausdruck auf mich zu und ging neben mir in die Hocke.

„Dachten Sie, ich wüsste nicht, was Sie damals mit Bobby dem Ständer gemacht haben? Sie haben’s ja der halben Welt erzählt. Sie dachten doch nicht wirklich, dass Sie den Stunt nochmal abziehen könnten, oder? Noch dazu, ohne Waffe, hm? Bobby war ein Freund von mir, das hier war sozusagen eine kleine Vergeltung. Was halten Sie davon?“.

Ich keuchte, der Schmerz bohrte sich in mein Bein. Dennoch wollte ich dem Scheißkerl nicht die Freude machen und um mein Leben betteln.

„Gefällt mir gut!“, presste ich zwischen meinen Lippen hervor. „Wenn Sie eine Tonne und etwas Kohle besorgen, können wir ein paar Maiskolben grillen, was halten Sie davon?“

Harding richtete sich grinsend auf. „Sehr witzig, Mister Funny! Wirklich erfreulich zu wissen, dass Sie mir von gegrillten Maiskolben erzählen. Wieso machen Sie es uns beiden nicht einfach leichter und entspannen sich.“

Ich schloss die Augen und verkrampfte mich. Ich hörte, wie alle drei ihre Waffen durchluden. Danach folgte Stille. Ich lag da mit meinem angeschossenen Bein und wartete darauf, dass sie mir den Rest gaben.

„Willi, kommen Sie!“, hörte ich Harding plötzlich sagen.

„Machen Sie schon!“, kreischte ich plötzlich, „ihr wollt mich fertig machen, also bringen wir’s endlich hinter uns! Was ist? Nicht genug Eier in der Hose um abzudrücken?!“

Ich hörte, wie sich Harding von mir wegbewegte. „Ja, hier Tom. Schicken Sie uns bitte mal wen vorbei, Willi macht Probleme. Ja. Okay. Nein, nein, ich hab’s im Griff, er ist angebunden.“

Ich hatte immer noch die Augen geschlossen und fragte mich, warum sie mich nicht abknallten, als ich plötzlich hörte, wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Was zum Teufel ging da vor sich?

„Herr Lustig?“, hörte ich eine rauchige Stimme aus nächster Nähe. Vorsichtig öffnete ich ein Auge. Vor mir befand sich eine Frau in einem weißen Kittel. Sie klang wie Helga! Ein Stethoskop um den Hals gewickelt tastete sie mein Handgelenk ab und sah auf ihre Armbanduhr.

Wie zum Teufel war ich hierher gekommen?

„Wie zum Teufel bin ich hierher gekommen?“, keuchte ich. Ich sah an mir hinab. Ich lag auf einem Bett, meine Beine und Arme waren mit festen Lederriemen angebunden. Auf der anderen Seite des Bettes stand Harding, ganz in weiß und lächelte mich aufmunternd an.

„Was soll der Scheiß?!“ kreischte ich, „dieser Arsch hat mich angeschossen! Mein Bein! Wassis mit meinem Bein?!“ Ich rüttelte an den Riemen, bekam meine Hände und Beine jedoch nicht frei. Harding stürzte sich auf mich und das Gewicht seines Körpers drückte mich in die Matratze.

„Herr Lustig“, begann Helga „beruhigen Sie sich bitte. Es ist alles in Ordnung, wir geben ihnen nun etwas zur Beruhigung. Bleiben sie bitte ganz locker, es kann ihnen nichts geschehen, wir kümmern uns um Sie.“ Sie trat kurz zur Seite steckte eine Spritze in eine Ampulle mit irgendeiner durchsichtigen Substanz und zog sie auf. Harding packte meinen Arm und hielt ihn fest. Die Haushälterin aus der Hölle jagte mir die Spritze in den Arm und drückte mir die Substanz in den Körper.

Nach einigen Sekunden spürte ich, wie die Angst und Angespanntheit von mir abfielen. Ich musste das Maisfeld irgendwie überlebt haben. Genau. Irgendwie hatte ich es in ein Krankenhaus geschafft, wo man sich um mich kümmern würde. Hatte der Typ, der mich festgehalten hatte, tatsächlich wie Harding ausgesehen? Ich versuchte meinen Kopf in seine Richtung zu drehen um ihn genauer zu betrachten. Sein Gesicht verschwamm immer mehr vor meinen Augen. Nein, vermutlich hatte er Harding nur ähnlich gesehen. Ich schloss die Augen und entspannte mich.

Kein Grund zur Sorge, ich war hier tatsächlich gut aufgehoben. Sobald ich hier rauskam, würde ich mich um meinen Fall kümmern. Ich würde ihn lösen und dann Susan Belfort knallen. Genau. Ich würde es ihr so richtig gut besorgen. Danach würde ich mir Helga, das Früchtchen, vornehmen. Möglicherweise konnte ich es den beiden in einem Anfall von unendlicher Geilheit gleichzeitig besorgen. Warum auch nicht? Wer sollte mich daran hindern?

Immerhin war ich Will B. Funny, Privatdetektiv.

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